Muslime in einer pluralen Gesellschaft

Den abschließenden Teil der Bildungswoche von IRAB bildetet Ali Özdil mit seinem Vortrag am 03.01.2020, worin er u.a. thematisiert, wie Muslime in Deutschland von außen wahrgenommen werden und wie sie sich selbst wahrnehmen und in welche Richtung eine gute gesellschaftliche Entwicklung gehen sollte. Zu Beginn machte er darauf aufmerksam, dass in einer pluralen Gesellschaft bestimmte Normen von verschiedenen Seiten ganz anders verstanden werden können. Kulturell geprägte Normen können in einem anderen Raum eine ganz andere Bedeutung tragen, als in dem Entstehungsraum, weshalb man diesen stets mit Sensibilität und Verständnis gegenübertreten sollte, um falsch fundierte Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. Des Weiteren sprach er die häufig wiederzufindende Annahme, man könne seine Religion in muslimisch geprägten Ländern besser ausleben, an. Zwar gibt es zweifellos in solchen Ländern angenehmere Möglichkeiten, um beispielsweise das Gebet zu praktizieren, jedoch herrschen dort vieler der hierzulande geltenden Privilegien nicht, welche für Muslime in Deutschland essenziell ist. Beispielsweise könne man im saudi-arabischen Staat keine Vereine gründen und auch allgemein ist Özdil’s Ansicht nach die intellektuelle Auslebung der Religion dort nach bestimmten Normen zu halten, was Denker des Landes dementsprechend einschränkt. Zudem geben die Schwierigkeiten, die man bei der Auslebung der Religion in einem nicht muslimisch geprägtem Land hat, Özdil’s Aussage nach einen viel größeren Segen weshalb er sagt, dass man nicht vom Segen wegrennen sollte. Prof. Fischhauer unterscheidet die in Deutschland lebenden Muslime in 3 Kategorien. Die erste ist jene, die nicht als Muslim und somit als etwas anderes auffallen möchte und voller Teil der Mehrheit sein möchte. Die zweite Kategorie beschreibt jene, die sich aktiv im Namen von Muslimen in der Gesellschaft engagieren, weil sie ebenso ein anerkannter Teil der Gesellschaft sein möchte, der Unterschied zur ersten Gruppe ist jedoch, dass sie als Muslime vollwertig in der Gesellschaft anerkannt werden möchten und es nicht für nötig erachten, ihre religiöse Identität zu verbergen. Die dritte Kategorie beschreibt jene Muslime, die sich weder als Teil der Gesellschaft sehen, noch wirklich gesehen werden möchten. Diese berufen sich komplett auf das anders sein und neigen eher dazu, ihre charakteristische Differenz auf andere zu übertragen. Zu dieser Gruppe ist anzumerken, dass sie sowohl außen von der allgemeinen Gesellschaft, als auch von der Mehrheit der muslimischen Gesellschaft als fremd wahrgenommen werden. Außerdem ist zu beachten, dass ein Unterschied der Begrifflichkeiten bei Definition von außen und Selbstdefinition herrscht. Wobei von außen Begriffe wie streng religiös, liberal usw. zu hören sind, berufen sich Muslime auf religiös geprägte Definitionen wie Muslim, Mu’min usw. Zudem werden die besagten Begriffe von allen Seiten sehr verschieden wahrgenommen. Was beispielsweise für einen Außenstehenden jemand streng religiöses ist, ist aus einer innerlichen Perspektive vielleicht bloß jemand, der versucht seine religiösen Pflichten einzuhalten. Zudem geht es in gesellschaftlich-religiösen Debatten sehr oft um einen Machtdiskurs. Wenn sich jemand also anmaßt, beispielsweise das Tragen des Kopftuches als falsch zu beschreiben, versucht diese Person letztendlich bloß ihr eigenes Verständnis über alle anderen zu stellen und dieses auf andere zwanghaft zu übertragen. Hier ist es also eher ein autoritärer Machtkonflikt, als ein aufklärender Dialog zu beobachten. Hierzu kritisierte Özdil jedoch ebenfalls die muslimischen Gemeinden, weil sei sich öfters über den über sie geführten Diskurs einlassen, was bedeutet, dass sie bloß reagieren, aber nie selbst einen Diskurs konstruieren. Anstatt sich Fremdbestimmen zu lassen und sich nach außen hin durch Negationen zu bestimmen, sprich; stets zu unterstreichen was man alles nicht ist, regt Özdil dazu an, selbst aktiv und selbstbewusst zu werden und das Gespräch über Muslime selbst zu führen und nicht führen zu lassen. Denn bloß wenn man einen Dialog führt, kann man sich selbst vorstellen und somit auch falsche Annahmen und Vorurteile abschaffen. Bei der Dialogführung macht Özdil jedoch auch auf nötige Menschenkenntnisse aufmerksam, die man bloß durch Erfahrung erlangen kann. Auch wenn sich manche maßgeblich auf einen Dialog mit Muslimen einzulassen vermögen, haben gewisse Personen bloß die Absicht Polemik zu betreiben und eher anzugreifen, als aufzuklären. Um hierbei korrekt reagieren zu können ist Özdil nach großes Selbstbewusstsein gefordert, denn auch hier heißt es, dass man sich nicht auf alles einlassen muss und sich nicht ständig durch Negationen definieren muss. Abschließend deutet Özdil darauf hin, dass die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber Muslimen den Dialog mit ihnen stark geschädigt hat. Durch des Öfteren vorhandenen herabblickende Definitionen von außen, welche Bezug zu den kulturellen Wurzeln von Muslimen nehmen, ist die Anzahl jener, die verlernt haben, dass sie viel mehr sind, als das womit sie bezeichnet werden, nicht gering. Viele sind es sich nicht bewusst, was für wertvolle Individuen sie sind, da sie sich oft auf die Diskriminierung einlassen. Zwar kann man selbst die gesamten Einflüsse von außen nicht ändern, jedoch kann man gewiss die persönliche Haltung dazu formen wie man will, weshalb Özdil noch einmal dazu appelliert, selbstbewusst zu sein, sich selbst zu bestimmen und nicht fremdbestimmen zu lassen und nicht nur zu reagieren, sondern auch selbst einen Diskurs und Dialog zu konstruieren